HAUSGÄNSE – DAS GROSSE SCHNATTERN
Video, Fotos und Reportage © H. Schulz
Im vergangenen Herbst wollte ich es endlich mal wissen: Wie leben eigentlich die Hausgänse, die auf Farmen zu Tausenden gezüchtet werden? In Markerup bei Flensburg zeigte mir ein Züchter sein schnatterndes Federvieh, und ich war erstaunt. Die Vögel waren auf ihn geprägt und hörten auf’s Wort. Noch nie waren mir bei den Dreharbeiten meine Darsteller in solcher Menge so nah. Das Schnattern war ohrenbetäubend.
VIDEO
Tausende von Gänsen schnattern auf den Weiden der Gänsefarm bei Markerup im Norden Deutschlands. Den Landwirt, der sie aufgezogen hat, kennen sie genau. Wenn er sie ruft, dann scharen sich die weißen Vögel um ihn und veranstalten ein ohrenbetäubendes Schnatterkonzert. © H. Schulz Naturfilm, www.tierfilm.schulz-wildlife.de
REPORTAGE
Gefiederte Schreihälse – Die Gourmetgänse aus Markerup
Über die Wiese wogt ein Meer aus weißbefiederten Vogelkörpern. Wie blinkende Farbtupfer leuchten aus dem Gewirr die orangefarbenen Schnäbel. Und über all dem dieser Höllen-Lärm: Das ist kein gemütliches Schnattern oder Gackern. Nein, ein ohrenbetäubendes Schreien tönt jetzt aus Tausenden von Gänsekehlen. Seit Jürgen Klingenhoff die Koppel betreten hat, ist sein Federvieh völlig aus dem Häuschen. Zufrieden blickt der Gänsevater auf die Horde, die ihn aufgeregt drängelnd umkreist.
10.000 Hausgänse zieht die Familie Klingenhoff in diesem Jahr auf ihrem Geflügelhof in Markerup groß – und zusätzlich Zigtausende Enten. Ihr Fleisch begeistert die verwöhnten Gaumen anspruchsvoller Gourmets. Selbst die dänische Königsfamilie und der russische Ex-Präsident Putin haben das Edelgeflügel aus Angeln genossen. Aber was bringt einen ehemaligen Schweinezüchter dazu, seinen Hof auf die weißen Schreihälse umzustellen? „Schon als 7-jähriger hatte ich einen Gänsetick“, erzählt Jürgen Klingenhoff, „Auf unserem Hausteich hatte ich 80 Enten. Vom Vater erhielt ich das Futter, Mutter hat die Vögel gerupft, und ich hab‘ sie verkauft. Das hat mich wohl irgendwie geprägt“.
Höchstens 5 Stunden alt sind die Gänseküken, wenn sie vom Züchter angeliefert werden. Dann heißt es für Landwirt Klingenhoff, zum Gänsevater zu werden. Eine Zeit, die er sehr genießt: „Vom ersten Tag an spreche ich mit den Kleinen und gewöhne sie an meine Stimme“, erklärt der bärtige Naturbursche, „Gänseküken brauchen eine Bezugsperson. In der Natur ist das ihre Mutter, hier muss ich dafür herhalten“. Wie zur Bestätigung watschelt ein Ganter heran, streckt ihm den Hals entgegen, und lauthals tun sich die beiden ihre Zuneigung kund. Kein Zweifel, das Vertrauen ist da.
Im Vergleich zu ihren Kollegen in anderen Geflügelhöfen geht es den Gänsen in Markerup gut. Ihr Leben dauert 1 ½ Monate länger, und die Wiesen, in deren fettem Gras sie schwelgen, sind größer als anderswo. Vertrauen hin oder her – nach 22 Wochen ist Schluss mit der Freundschaft. Der letzte Gang, spätestens vor Weihnachten, führt in die hofeigene Schlachterei. Aber noch ist es nicht so weit. Jürgen Klingenhoff ruft seine Gänse, und brav watscheln sie hinter ihm her. „Ist das nicht toll?“, fragt der Landwirt. Und schmunzelnd fügt er hinzu: „Die Gänse hören auf mich. Besser als meine Frau“.
Infokasten „Hausgänse“
Die Hausgans ist die domestizierte und nicht flugfähige Form der Graugans (Anser anser). Heute gibt es etwa 15 Hausgans-Rassen. Schon von den Römern wurden Graugänse wegen ihres Fleisches und ihrer Federn domestiziert. Aufgrund ihres Geschreis ersetzten sie damals auch die Wachhunde.
Markeruper Gänse und Enten Klingenhoff, Hauptstraße 7, 24975 Markerup, www.klingenhoff.de
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