HIRSCHBRUNFT – WENN DIE HIRSCHE DIE WEIBER JAGEN
Fotos und Reportage © H. Schulz
Im September und Oktober ist das Rotwild in der Brunft. Laut röhrend buhlen die Hirsche um die Gunst der Weibchen. Wenn das Imponieren nichts hilft, dann kommt es zum Kampf. Die Hirschkühe stehen dabei und schauen ungerührt zu. Im Tierpark Neumünster muss Platzhirsch Otto nicht um seine Vormacht kämpfen. Er ist der einzige Mann zwischen mehreren Weibern. Otto ist ein beeindruckender Bursche, und wenn er röhrt, geht das durch Mark und Bein. Aber zu Nachwuchs hat er es bisher nicht gebracht. Warum? Tierpfleger Heiko Tyziak hat es mir erzählt.
REPORTAGE
Heiko und der Hirsch
Mitte Oktober. Die ersten kalten Nächte sind übers Land gegangen. Im Tierpark Neumünster schweben die bunten Blätter von den Bäumen und decken langsam die Wege zu. Es riecht nach Herbst, der Sommer nimmt endgültig seinen Abschied.
Ein urtümliches Röhren tönt herüber vom Rotwildgehege, wieder und wieder. Dann poltert es im Wald. Zwischen den schütter wachsenden Kiefern und Fichten erscheint in schnellem Lauf eine Hirschkuh, dicht gefolgt von einem starken Hirsch. Den Kopf mit dem mächtigen Geweih hat er bei der wilden Jagd weit nach vorne gereckt, seine Brunftschreie äußert er jetzt schneller, bis sie sich zu einem stöhnenden Stakkato steigern. Schließlich gibt er die Jagd auf, sein keuchender Atem bildet in der kühlen Luft Dampfwölkchen.
Heiko Tyziak, der für die Huftiere verantwortliche Pfleger im Tierpark Neumünster, schaut auf „seinen“ Rothirsch und zuckt mit den Schultern. „Otto ist 10 Jahre alt, eigentlich im besten Mannesalter“, sagt er, „Aber eigenen Nachwuchs hat er mit seinen beiden Damen bisher noch nicht zu Stande gebracht“. An Hormonmangel könne es nicht liegen, meint Heiko, denn die „Brunftkugeln“, die Hoden des Hirsches, seien bestens ausgebildet und auch das Brunftverhalten sei ganz normal. Zu seinen Weibern verhalte sich Otto nett, er sei niemals aggressiv. Noch nie habe er im Eifer des Gefechts mit dem beeindruckenden Geweih eines seiner „Mädels“ verletzt.
Hinter dem Gehege stapeln sich Kisten mit frischem Obst. Die Hirsche werden verwöhnt. Neben den obligatorischen Kastanien und Eicheln bekommen sie jede Menge Silage, Äpfel, Birnen, Bananen und Weintrauben. Heiko Tyziak sorgt dafür, dass es seinen Schützlingen an nichts fehlt. Regelmässig kontrolliert er den Kot der Rothirsche, an dem sich ablesen lässt, ob mit der Nahrung und der Gesundheit der Tiere alles in Ordnung ist. Woran liegt es, dass Otto trotz dieser fürsorglichen Pflege seinen Pflichten als Familienvater nicht nachkommt? „Das Problem ist die Paarung“, meint Heiko, „da stellt sich Otto einfach dusselig an, er weiss manchmal nicht, was vorne und hinten ist“.
Auch Otto scheint mit der Situation nicht zufrieden zu sein. Frustriert bearbeitet er den Waldboden mit seinem Geweih, dass die Erde meterweit fliegt. Und dann schreit er wieder röhrend seine Sehnsucht heraus. Heiko Tyziak nickt jetzt zufrieden. „Irgendwann schafft Otto das noch – auch wenn die Sache für meine Kollegen schon Anlass zum Spott ist“. Und selbstbewusst fügt er hinzu: „Aber da stehen wir ja drüber – der Otto und ich“.
Tierpark Neumünster, Geerdtsstraße 100, 24537 Neumünster, ganzjährig geöffnet, www.tierparknms.de.
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