EINE ARCHE FÜR SELTENE HAUSTIERRASSEN
Video, Fotos und Reportage © H. Schulz
Das Ungarische Steppenrind, der Poitouesel und andere haben keinen Platz mehr in der modernen Landwirtschaft. Viele alte Nutztierrassen sind vom Aussterben bedroht. Der von Greenpeace betriebene Tierpark Arche Warder hat sich zum Ziel gesetzt, die genetische Vielfalt der aussterbenden Haustierrassen zu erhalten. An einem schönen Frühlingstag habe ich einen ausgedehnten Spaziergang durch die schöne Anlage gemacht und Steppenrinder, Poitouesel, Jakobsschafe, Zwergzebus und Schleswiger Kaltblutpferde mit meiner Filmkamera beobachtet.
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REPORTAGE
Bulle Boris – Ein sprunggewaltiger Eintonner
Ihr Fell ist silbergrau, und die großen, aufwärts gebogenen Hörner werden bis zu einem Meter lang. Die Ungarischen Steppenrinder im Tierpark Arche Warder machen richtig was her. Unbestrittener Star in der kleinen Herde ist der 11-jährige Bulle Boris. Fast eine Tonne bringt der wehrhafte Koloss auf die Waage. Seine schiere Masse und das mächtige Gehörn flößen Respekt ein – auch wenn der Bursche gerade friedlich zwischen seinen Kühen grast.
Ärgern sollte man Boris nicht. Das musste der kleine Zebubulle im Nachbargehege vor 2 Jahren schmerzhaft erfahren. Brummend und mit scharrenden Hufen hatte er Boris herausgefordert. Susanne Kopte, die Sprecherin der Arche Warder, hat beobachtet, was dann geschah: „Boris nahm Anlauf und sprang mit einem gewaltigen Satz über den Zaun. Eine super Leistung, alle vier Beine hochgezogen, also null Fehlerpunkte“. Auch den zweiten Zaun, ebenfalls fast eineinhalb Meter hoch, meisterte der Koloss mit Bravour. Er nahm den Zebubullen auf die Hörner, schleifte ihn über die ganze Wiese und schleuderte ihn immer wieder mal in die Höhe. „Dem armen Kerl wurde die ganze Seite aufgerissen“, erzählt Susanne Kopte, „Aber der Tierarzt hat ihn wieder zusammen geflickt“. Und Boris? Der war nicht nachtragend. Lammfromm ließ er sich auf seine eigene Koppel zurückführen. Warum auch nicht? Er hatte gezeigt, wer der Herr im Ring ist.
Die ursprüngliche Heimat der Steppenrinder ist das ungarische Tiefland. Die Puszta mit ihren kargen Gräsern diente den genügsamen Wiederkäuern als Weide. Ihr Fleisch war einst ein wichtiges Exportgut, und in abenteuerlichen Trecks wurden riesige Herden der halbwilden Tiere bis in die Städte im Westen getrieben. Alleine auf den Viehmärkten in Nürnberg wurden im 17. Jahrhundert alljährlich 70.000 Steppenrinder verkauft. Auch als Arbeitstiere waren die kräftigen Hornträger beliebt: Sie dienten als Zugtiere für die schweren Ochsenkarren, und beim Pflügen waren sie gut zu gebrauchen.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ging die Zeit der Steppenrinder zu Ende. Dürreperioden ließen das Weideland verdorren, und andere Rassen waren nun gefragter. Nur noch knapp 200 Tiere gab es Mitte der 1960er Jahre. Dass die aussterbende Rasse trotzdem überlebt hat, ist dem wachsenden Tourismus in der Puszta zu verdanken. Plötzlich waren die grauen Steppenbewohner wieder „in“. An die 2000 Tiere grasen heute wieder in Ungarn.
Infos über das „Ungarische Steppenrind“
Das Ungarische Steppenrind, auch Graurind genannt, ist eine der ursprünglichsten Rinderrassen. Vermutlich gelangte es im 9. Jahrhundert mit dem Reitervolk der Magyaren in die ungarische Tiefebene. Die Bullen erreichen eine Schulterhöhe von 155 cm, die Kühe sind etwas kleiner. Kälber tragen während der ersten 3 Lebensmonate ein rötliches Fell.
Tierpark Arche Warder, Langwedeler Weg 11, 24646 Warder. Täglich geöffnet von 10 bis 20 Uhr, Einlass bis 18 Uhr. www.Arche-Warder.de
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