DIE „HALLIGSTÖRCHE“ SIND MEISTER IM MUSCHELKNACKEN
Foto und Reportage © H. Schulz
Halligfrühling auf Langeneß. Schon früh am Morgen bin ich nahe der Mayenswarf unterwegs, um dem Konzert der Küstenvögel zu lauschen. Das Flöten der Rotschenkel, das Kreischen der Seeschwalben und die jammernden Rufe der Möwen sind allgegenwärtig. Eine Vogelart jedoch hebt sich akustisch aus der Masse heraus: Mit lauten, gellenden Pfiffen und schrill-aggressivem Trillern übertönen die Austernfischer den vielstimmigen Chor. Selbst im schnellen Flug, bei bis zu 80 Stundenkilometern, können sie ihre Schnäbel nicht halten.
Rote Beine, roter Schnabel, und ein auffälliges Gefieder in schwarz-weiß – kein Wunder, dass die Menschen an der Küste den Austernfischer scherzhaft auch „Halligstorch“ nennen. Dabei hat „Haematopus ostralegus“, wie der Schreihals auf lateinisch heißt, mit den Störchen rein gar nichts zu tun. Er gehört, wie die Schnepfen und Regenpfeifer, zu den Watvögeln. Und als solcher fühlt er sich dann am wohlsten, wenn seine Füße im Wasser stehen. Im Wattenmeer zum Beispiel, oder in der Gezeitenzone der Mündung von Flüssen. An fast allen europäischen Küsten ist der Austernfischer heimisch, vom Mittelmeer bis zu den Färöer-Inseln, wo er als Nationalvogel die Briefmarken ziert.
Seine Nahrung findet der Austernfischer im Tidenbereich. Schnecken, Insekten und Würmer gehören dazu, aber am liebsten frisst er Muscheln. Wie der „Halligstorch“ die Schalentiere knackt, kann ich bei Ebbe im Watt vor Langeneß beobachten. Mit schräg gehaltenem Kopf läuft der Vogel über den feuchten Boden und fixiert aufmerksam die Oberfläche. Plötzlich hat er etwas entdeckt. Er bohrt den Schnabel in den Schlick und stochert eine Herzmuschel hervor. Ein paar trippelnde Schritte noch, zu einem flachen Stein. Mit geschlossenem Schnabel hämmert der Austernfischer dort heftig auf die gepanzerte Beute. Schon nach wenigen Sekunden ist die Schale geöffnet – und das saftige Muschelfleisch wird verzehrt.
Ein paar Tage später ist die Paarungszeit der Austernfischer in vollem Gang. In kleinen Gruppen, oft aber auch nur zu zweit, laufen die Vögel aufgeregt umeinander. Verliebtes Getue oder Aggression? Genau sagen kann ich das nicht. Eines jedoch ist sicher: Bald werden die ersten Eier gelegt, in einer schlichten Mulde am Rande des Watts. Bei meinem nächsten Besuch bei den „Halligstörchen“ von Langeneß sind die flaumigen Küken sicher bereits geschlüpft.
Holger Schulz
Bergenhusen, 8. Juni 2011
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