WALDELEFANTEN – AUF EXPEDITION IN DER GRÜNEN HÖLLE AFRIKAS
Fotos und Reportage © H. Schulz
Seit Stunden schon kämpfen wir uns durch den Dschungel des Kongobeckens. In grundlosem Sumpf, umschwärmt von Tausenden Insekten, zwischen üppiger Vegetation und haushohen Brettwurzeln. Ein ohrenbetäubendes, schrilles Trompeten lässt uns das Blut in den Adern gefrieren. Nur 20 Meter entfernt taucht im wuchernden Grün, teilweise verdeckt von Blättern, ein Waldelefant auf. Gespenstisch, wie eine graue Wand, versperrt der verärgerte Riese den Pfad. Suchend bewegt sich sein Rüssel, während die großen Ohren weit abgestellt sind. Wieder trompetet der Koloss, reißt verärgert Äste und Blätter von den Bäumen, bevor er endlich im Wald verschwindet. Unser Führer, ein Bayaka-Pygmäe, signalisiert Entwarnung – und mit zittrigen Knien setzen wir unseren Marsch fort.
Im Schutzgebiet Dzanga-Sangha, im Dreiländereck von Kamerun, Kongo und der Zentralafrikanischen Republik, sind wir unterwegs zu den sagenumwobenen Waldelefanten. Eine halbe Stunde später lichtet sich der Wald und wir erreichen den Rand einer sonnendurchfluteten Lichtung. Die Dzanga Bai übertrifft alle unsere Erwartungen. Mindestens 50 der geheimnisvollen Urwaldriesen stehen im sumpfigen Boden oder in kleinen Tümpeln: Große Bullen mit gewaltigen Stoßzähnen, Mütter mit ihren Kälbern, und Halbwüchsige, die in Scheinkämpfen ihre Kräfte messen. Viele der Tiere graben mit ihren Stoßzähnen im schlammigen Grund. Nur hier finden sie im Regenwald die lebensnotwendigen Mineralsalze. Mbotu-mbotu, „Urwaldapotheke der Elefanten“, wird die Lichtung deshalb von den Pygmäen genannt.
Waldelefanten sind etwas kleiner als ihre in den Savannen Ostafrikas lebenden Verwandten. Sie haben schlankere, weniger gebogene Stoßzähne und kleinere, rundliche Ohren. Ihre Heimat sind die Regenwälder Zentral- und Westafrikas. In kleinen Familiengruppen, angeführt von einer Leitkuh, streifen sie auf der Suche nach Nahrung Hunderte Kilometer durch den Dschungel. Waldelefanten ernähren sich vor allem von Früchten und tragen damit zur Verbreitung zahlreicher Regenwaldbäume bei: Deren Samen keimen häufig erst dann, wenn sie den Verdauungstrakt eines Elefanten passiert haben. Die massive Zerstörung des tropischen Regenwaldes durch Abholzung gefährdet das Überleben der letzten Waldelefanten. Und so mischt sich auch Wehmut in unsere Begeisterung über das Schauspiel auf der Dzanga Bai: Vielleicht sind bald auch die letzten dieser geheimnisvollen Urwaldgiganten verschwunden.
Holger Schulz
Bergenhusen, 7. Mai 2011
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