SCHELTOPUSIK? KENN‘ ICH NICHT!
Foto und Reportage © H. Schulz
Scheltopusik? Was ist das? Ein russisches Gewürz? Oder eine finnische Kampfsportart? Sie haben’s sicher geahnt: Ein Tier ist es, wenn auch ein recht eigenartiges. Ophisaurus apodus haben die Wissenschaftler es genannt. Eine Echse ohne Beine, aber trotzdem keine Schlange. Bis zu 140 cm lang und dick wie ein menschlicher Unterarm kommt der riesige Verwandte der Blindschleiche daher. „Gelbwanst“ bedeutet das russische Wort Scheltopusik, aber als „Panzerschleiche“ ist das Reptil in Deutschland eher bekannt.
In den Karstbergen Istriens bin ich dem beinlosen Kriechtier auf der Spur. Über verwittertes Kalkgestein klettere ich steil bergan. Plötzlich raschelt es im dornigen Gestrüpp. Im Halbschatten windet sich ein langgestreckter Körper dahin. Jetzt muss es schnell gehen. Beherzt greife ich zu, dicht hinter dem Kopf. Giftig ist der Scheltopusik zwar nicht, aber mit seinen starken Kiefern kann er schmerzhaft beißen. An die 400 Gramm wiegt die fauchende Echse und versucht, sich mit kräftigen Windungen aus meiner Hand zu befreien. Bald jedoch resigniert das Reptil, und ich kann es in Ruhe betrachten. Sein Körper ist nahtlos von rautenförmigen Schuppen bedeckt. An beiden Seiten verläuft eine Hautfurche, die sich bei jedem Atemzug dehnt. Von der Verwandtschaft mit den Eidechsen zeugen zwei winzige, warzenförmige Beinstummel vor dem Ansatz des Schwanzes.
Von Kroatien bis Griechenland und von der Türkei bis Mittelasien ist der Scheltopusik zu Hause. Dort leben die Tiere versteckt an Berghängen, in lichten Wäldern und Trockensteppen. Ihre Nahrung, Schnecken, Insekten und andere Kleintiere, zermalmen sie zwischen den stumpfen Zähnen. Wenn die Gelegenheit sich bietet, verschmähen sie auch eine Maus oder einen Jungvogel nicht. Während der kalten Jahreszeit ziehen sich die Panzerschleichen in Mäusenester oder andere Höhlen zurück und halten dort eine mehrmonatige Winterruhe.
Ich habe „meinen“ Scheltopusik inzwischen ausgiebig inspiziert. Zurück in Freiheit macht er sich schnell aus dem Staub und verschwindet unauffindbar unter dichtem Gestrüpp. Die heimliche Lebensweise ist sein einziger Schutz gegen Greifvögel, Füchse und andere Feinde – und gegen Menschen, die die harmlosen Reptilien als vermeintlich giftige Schlangen erschlagen.
Holger Schulz
Bergenhusen, 21. Februar 2010
Kommentar verfassen