SCHWARZMILANE – GEFIEDERTE KOSMOPOLITEN
Foto und Reportage © H. Schulz
Geheimnisvolle Auwälder, knorrige Eichen, ausgedehnte Schilfbestände und verwunschene Altarme: Das Europareservat Kühkopf-Knoblochsaue, diese üppige, fast tropisch anmutende Wildnis, ist das größte Naturschutzgebiet Hessens. Nicht nur für ihre Stechmücken ist die amphibische Landschaft am Rhein zwischen Mannheim und Mainz berühmt, sondern vor allem für ihre zahlreichen Brut- und Zugvögel. In dieser urwüchsigen Natur, mitten in Deutschland, leben noch immer mehr als 50 Paare des Schwarzmilans – in höherer Dichte als irgendwo sonst in Europa. Der bussardgroße Greifvögel ist das Wahrzeichen des Reservats.
Nur eine halbe Fahrrad-Stunde entfernt von dem bereits im Jahr 1952 gegründeten Schutzgebiet habe ich meine Jugend verbracht. Meine ersten Gehversuche als Vogelbeobachter habe ich auf dem „Kühkopf“ unternommen. Heute, mehr als vier Jahrzehnte später, bin ich endlich mal wieder auf dem Sommerdeich unterwegs. Die ersten Singvögel sind aus Afrika zurückgekehrt – noch zögerlich klingt ihr Gesang aus Wald und Röhricht. Zwischen den uralten Apfelbäumen am Rande des Weges fällt mein Blick auf eine weite, offenen Wasserfläche. Im langsamen Suchflug zieht ein Schwarzmilan dicht über dem spiegelnden Nass seine Bahn. Wie nebenbei fasst er mit den Fängen zu und zieht einen zappelnden Fisch aus dem Wasser.
In Sachen Nahrung ist der Schwarzmilan flexibel. Er nimmt das, was sich gerade bietet. Kleine Säugetiere, Vögel und Frösche oder Schlangen, das Spektrum der Nahrungstiere ist weit. Hier, auf dem Kühkopf mit den vielen Gewässern, sind Fische seine häufigste Beute. Aber auch Aas verschmäht der elegante Jäger nicht. Auf Mülldeponien in Südeuropa ist er häufiger Gast. Und in Afrika konnte ich Hunderte Schwarzmilane beobachten, die Jagd auf wandernde Heuschrecken machten. „Tiervater Brehm“ hatte vom „Waldgeier oder Hühnerdieb“, wie er den Schwarzmilan nannte, sein ganz eigens Bild: „Am meisten schadet er unzweifelhaft dadurch, dass er andere Raubvögel in der widerwärtigsten Weise anbettelt oder so lange belästigt, bis sie ihm ihre Beute zuwerfen“.
Über den alten Eichen des Auwalds höre ich ein melodisches Trillern. Am blauen Frühlingshimmel balzen mit eindrucksvollen Flugmanövern die Schwarzmilane. Steil steigen die beiden Vögel empor, trudeln wie angeschossen herab und berühren sich mit den Fängen. Lange kann es nun nicht mehr dauern, bis die ersten Eier im Nest liegen – hoch oben in der Baumkrone.
Holger Schulz
Bergenhusen, 4. April 2011
Kommentar verfassen