UNHEIMLICHE BEGEGNUNG IN DER TROPENNACHT
Fotos und Reportage © H. Schulz
Holprige Pisten, roter Staub und brütende Hitze. In Mali, im Westen Afrikas, sind wir überwinternden Zugvögeln auf der Spur. Eine mühsame Reise, weit abseits der Zivilisation. Am späten Abend errichten wir zwischen mächtigen Affenbrotbäumen unser Lager. Im flackernden Licht der Gaslaterne erwarten wir den Einbruch der Tropennacht. Ich hole das letzte Bier aus der Kühlbox – die Erfrischung haben wir uns heute verdient. Plötzlich knallt ein Insekt gegen die Lampe. Eine Baumwanze – OK, das kennen wir schon. Aber weitere folgen – und Sekunden später brechen die stinkenden Sechsbeiner millionenfach über uns herein.
Nichts wie weg hier. In der Bürokabine auf der Ladefläche meines Autos suchen wir Schutz. Wie ein heftiger Hagelsturm prasseln Heerscharen der Biester auf Dach und Wände. Gebückt stehen wir in dem stickigen Raum dicht beieinander und warten schweißgebadet auf das Ende der Attacke. Hunderte Wanzen sind mit uns ins Auto gelangt. In den Haaren, im Gesicht, auf den Armen krabbeln die unappetitlichen Insekten und finden den Weg in Hemden und Hosen. Ihr penetranter Gestank wird unerträglich. 15 Minuten lang harren wir aus, dann ist der Spuk plötzlich vorbei – ebenso unvermittelt, wie er begann.
Vorsichtig öffne ich die Tür. Unzählige Moskitos summen in der feuchtwarmen Luft. Fledermäuse jagen am Himmel auf Nachtschmetterlinge. Der Wanzenschwarm ist weitergezogen – aber noch immer finden wir viele der Tiere. Zum Beispiel im zweiten Fahrzeug: In der Hektik hatten wir vergessen, die Fenster zu schließen. Und unser Bier? Weg damit, denn selbst in den Flaschen dümpeln die Stinker. Rund um die Gaslampe ist der Boden mit Wanzen übersät. Das lockt so manchen hungrigen Räuber: Ein Festmahl für Skorpione und Gottesanbeterinnen.
Etwa 6000 Arten von Baumwanzen (Pentatomidae) gibt es auf der Welt. Die meisten ernähren sich von Pflanzensäften. Manche sind in der Landwirtschaft als Schädlinge gefürchtet. In Deutschland ist vor allem die Grüne Stinkwanze bekannt. Wie die meisten ihrer Verwandten produziert sie bei Gefahr zur Abwehr von Feinden ein übelriechendes Sekret. Gelegentlich machen Millionen Baumwanzen sich gemeinsam auf die Suche nach neuen Nahrungsgebieten. An unsere Begegnung mit solch einem Schwarm werden wir noch lange erinnert: Selbst Wochen später finden wir immer wieder vertrocknete Wanzen, in unseren Autos, in der Wäsche und zwischen den Lebensmitteln.
Holger Schulz
Bergenhusen, 8. August 2011
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