STUBENFLIEGE: FLIEGENKLATSCHE IN ZEITLUPE
Reportage © H. Schulz Foto: © B. Dumitru/Fotolia
Stubenfliegen sehen und reagieren 10 mal schneller als wir Menschen
Patsch! Diesmal hab‘ ich sie! Von wegen. Wie von Zauberhand hat sich die Stubenfliege aus der Gefahrenzone katapultiert. Frustriert lege ich die Fliegenklatsche zur Seite. Wie zum Hohn landet das lästige Insekt auf dem Bildschirm. Direkt vor meinen Augen krabbelt „Musca domestica“ hektisch umher und stört mich bei der Arbeit. Abgesehen davon: Mehrere Millionen Bakterien schleppt so manche Fliege mit sich herum, vom letzten Besuch auf einem Kothaufen oder Kadaver. Die ekligen Keime hinterlässt sie auf dem Marmeladenbrot oder der Wurst, wenn sie dort mit ihrem Rüssel nach Nahrung tupft.
Aber warum eigentlich ist es so schwer, eine Fliege zu fangen? Ihre großen Facettenaugen erkennen jede Gefahr. Mit 300 Einzelbildern pro Sekunde sieht sie die nahende Fliegenklatsche quasi in Zeitlupe. Ihre Reaktionszeit ist 10 mal kürzer als bei uns Menschen. Mit den Beinen stößt sich die Fliege ab. Dann startet sie durch, mit mehr als 70 km/h und bis zu 200 Flügelschlägen pro Sekunde. Kunstflug auch beim Landen an der Decke: Das Insekt fliegt ganz normal an, bis die vorgestreckten Beine den Landeplatz berühren. Der Körper macht einen blitzschnellen Überschlag, und die Fliege sitzt mit dem Rücken nach unten.
Stubenfliegen vermehren sich rasend schnell. Etwa 130 Eier umfasst jedes der 5-6 Gelege, die ein Fliegenweibchen pro Jahr produziert. Nach einem halben Tag schon schlüpfen die Maden. Sie entwickeln sich in sieben Tagen zu sogenannten Puppen, aus deren harten Hüllen eine knappe Woche später die fertigen Insekten krabbeln. Schon im Alter von drei Tagen beginnt auch die neue Generation mit der Fortpflanzung. Der amerikanische Biologe L.O. Howard hat eine erschreckende Rechnung erstellt: Würde der gesamte Nachwuchs eines einzigen Fliegenweibchens überleben und sich jeweils wiederum fortpflanzen, dann wären das am Jahresende etwa 5,6 Billionen Tiere. Mit meiner Fliegenklatsche alleine käme ich dagegen sicher nicht an. Zum Glück landet der allergrößte Teil der lästigen Brummer im Magen von Vögeln, Fröschen oder anderen „Räubern“.
Im Herbst geht das Leben der meisten Fliegen zu Ende. Sie verkriechen sich oder sitzen tagelang reglos am Fenster. Irgendwann sehen sie aus wie weiß bepudert. Ein parasitärer Schimmelpilz, der sogenannte „Fliegentöter“, hat sie befallen. Er verdaut das Körperinnere der Insekten. Durch die leere Hülle brechen schließlich seine Sporen nach draußen. Schlecht für die Fliegen – aber leid tun sie mir nicht.
Holger Schulz
Bergenhusen, 24. Juli 2011
Foto: B. Dumitru/Fotolia
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