ZU GAST IN KARAOGLAN, DEM „DORF DER SCHWARZEN BÜFFEL“
Fotos und Reportage © H. Schulz
Auf den Dächern klappern die Störche, und von der Moschee ruft der Muezzin zum Gebet. Karaoglan ist ein verschlafenes Dorf in der Türkei, am sumpfigen Ufer des Ulubat-Sees. Gastfreundschaft wird hier groß geschrieben. Die Menschen freuen sich über unseren Besuch, und bald halte ich eine Schale kräftigen, schmackhaften Joghurts in der Hand. „Kuh oder Schaf?“, will ich radebrechend vom Gastgeber wissen und ernte energisches Kopfschütteln. Ein kleiner Junge nimmt mich an der Hand, führt mich zum Rand der Dachterrasse und zeigt auf die Straße. Dort unten drängt sich eine Phalanx aus massigen Leibern: Wasserbüffel, unverkennbar mit ihren im Halbkreis nach hinten gebogenen Hörnern. Das also sind sie – die Lieferanten der Milch. Mit langen Stöcken dirigieren die Hirten die schwarzen Rinder zwischen Häusern und Autos zu den Ställen, um sie zu melken.
Wildlebende Wasserbüffel sind selten geworden. Nur in Asien haben sie in kleinen Beständen überlebt. Als Haustiere jedoch sind sie in vielen Teilen der Erde verbreitet. Die Büffel lieben es nass – und verbringen einen Großteil des Tages im Wasser. Die dicke Schlammschicht, die sich dabei auf ihrem Körper bildet, schützt die Tiere gegen lästige Insekten. Beim Pflügen der Reisfelder und als Lastträger werden domestizierte Wasserbüffel noch heute verwendet. Vor allem jedoch liefern sie den Bauern Milch und Fleisch. Der Fettgehalt der Büffelmilch ist fast doppelt so hoch wie in der Milch von Kühen. Echter italienischer Mozarella, die wichtigste Zutat der Caprese, einer berühmten italienischen Vorspeise, wird traditionell aus der Milch von Wasserbüffeln gewonnen. Heute jedoch produziert man ihn meist aus Kuhmilch, auf Kosten von Geschmack und Haltbarkeit.
Am türkischen Ulubat-See sind die Menschen auf ihre Wasserbüffel stolz – und vor allem auf den einmalig leckeren Joghurt. Die gehörnten Vierbeiner fühlen sich in den feuchten Wiesen am Ufer des Sees wohl. Selbst im grundlosen Sumpf sinken sie, dank ihrer weit spreizbaren Hufe, nicht ein. Gräser als Nahrung gibt es im Überfluss, ebenso wie Tümpel und Kuhlen zum Baden. Und so wird diese alte Tradition der Viehhaltung hoffentlich noch viele Jahre überdauern – in Karaoglan, dem Dorf der schwarzen Büffel.
Holger Schulz
Bergenhusen, 7. Juni 2011
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