WALZENSPINNEN – HAARIG, BISSIG UND FURCHTERREGEND
Fotos und Reportage © H. Schulz
In N’Guigmi, im Südosten der Republik Niger, steigt das Thermometer im Sommer auf über 40 Grad. Der heiße Wüstenwind treibt riesige Sandwolken über das Land. Auf der Terrasse am Haus eines Entwicklungshelfers genieße ich in der Abenddämmerung ein kühles Bier. Dunkle Schatten huschen gespenstisch über den Boden. Mäuse? Oder Skorpione? Vorsichtig nähere ich mich und betrachte im Schein der Taschenlampe eines der Tiere. Es ist eine Walzenspinne, handtellergroß, mit lang behaarten Beinen.
Plötzlich richtet der gefährlich aussehende Krabbler den Vorderkörper auf und streckt mir drohend die gewaltigen Beißwerkzeuge entgegen. Ich zucke erschrocken zurück und beschließe, hier nie wieder Sandalen zu tragen. Mein Gastgeber lacht, er hat sich an seine achtbeinigen Mitbewohner gewöhnt. „Zu nah herangehen solltest Du aber nicht“, warnt er mich, „Die Biester können garstig beißen“. Giftdrüsen besitzen die Walzenspinnen zwar nicht. Aber die tiefen Fleischwunden, die sie mit ihren monströsen Kiefern reißen, verursachen nicht selten eine Blutvergiftung.
„Solifugae“ lautet der wissenschaftliche Name der Walzenspinnen. Das bedeutet so viel wie „Sonnenflieher“ und bezieht sich auf die nächtliche Lebensweise der gefürchteten Tiere. Erst nach Einbruch der Dämmerung verlassen sie ihre Verstecke und begeben sich auf die Jagd. Das vordere Beinpaar dient in der Dunkelheit als Tastorgan. Ihre Beute töten die Walzenspinnen mit den kräftigen Kiefern. Ob Insekten oder Spinnen, Skorpione oder Tausendfüßler, wählerisch sind die gefräßigen Räuber nicht. Selbst Eidechsen und Mäuse, viel größer als sie selbst, werden zwischen den mörderischen Kiefern zermalmt.
Angelockt vom Licht schleichen sich Walzenspinnen nachts auch in die Zelte und Häuser der Menschen. Fühlen sie sich bedroht, dann reagieren die ungebetenen Gäste extrem aggressiv. Eine Begegnung mit ihnen kann schmerzhaft sein. Dichter aus der Antike berichteten gar, ganze Landstriche seien aus Furcht vor den bissigen Krabblern verlassen worden. Niemand weiß, ob das tatsächlich so war. Ich jedenfalls habe in N’Guigmi meine Lektion gelernt – und zolle den nächtlichen Jägern gehörigen Respekt.
Informationen:
Walzenspinnen (Solifugae) gehören zu den Spinnentieren. Es gibt 900 Arten, die überwiegend in Wüsten und Steppen leben. Bis zu 7 cm groß wird der Körper, dazu kommen die langen, behaarten Beine. Ihre Kiefer sind, relativ zur Körpergröße, die stärksten Beißwerkzeuge im Tierreich.
Holger Schulz
14. November 2009
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