MANDSCHURENKRANICHE – JAPANS TANZENDE VÖGEL DES GLÜCKS
Fotos und Reportage © H. Schulz
Wer Hokkaido, die Nordinsel Japans, im Winter besucht, der taucht ein in eine verzauberte Landschaft. Und er erlebt eine Tierwelt, die einzigartig ist. Das Ziel unserer Reise waren die Mandschurenkraniche, die dort jetzt ihre faszinierenden Balztänze zeigen. Aus nächster Nähe konnten wir die seltenen Vögel beobachten – ein unvergessliches Erlebnis.
REPORTAGE
Mandschurenkraniche – Tanzende Vögel des Glücks
Dezember in Hokkaido. Der Winter hält Japans Nordinsel fest im Griff. Langsam erwacht der Tag im Kushiro-Shitsugen-Nationalpark. In den kahlen Bäumen am Kranich-Beobachtungsplatz krächzen die Krähen, und ein Fuchs schnürt hungrig über den Schnee. Von den Hügeln im Osten klingen melancholisch trompetende Rufe durch den eisigen Morgen. Zuerst noch sehr leise, doch rasch schwellen sie an zu einem vielstimmigen Chor. Und dann landen die ersten Mandschurenkraniche: Elegante, schwarz-weiße Vögel mit mächtigen Schwingen.
„Tancho“, Vogel des Glücks, heißt der Mandschurenkranich im Land der aufgehenden Sonne. Er ist der Nationalvogel Japans und wird von den Menschen verehrt – als Symbol für ein langes Leben und eheliche Treue. Nur etwa 2000 dieser stolzen Segler haben die Verfolgung und die Zerstörung ihrer Brutgebiete überlebt. In Hokkaido waren die Kraniche Mitte des letzten Jahrhunderts fast ausgestorben. Erst, nachdem Dorfbewohner begonnen hatten, die geliebten Glücksbringer im Winter zu füttern, ging es mit dem Bestand wieder bergauf.
Inzwischen haben sich mehrere hundert Mandschurenkraniche auf der schneebedeckten Lichtung versammelt. In der klirrenden Kälte bildet der Atem der rufenden Vögel weiße Wölkchen vor den hochgereckten Schnäbeln. Plötzlich, ohne ersichtlichen Grund, öffnet einer der Kraniche die Flügel und springt mit hängenden Beinen hoch in die Luft. Der Tanz ist eröffnet. Sein Partner, nur einen Meter entfernt, verbeugt sich mit vorgerecktem Hals und springt dann ebenfalls in die Höhe. Andere Kraniche stimmen ein in das Ritual aus Sprüngen und Verbeugungen, und bald erfasst der Tanz die ganze Gruppe. Das spektakuläre Verhalten dient der Balz und fördert den Zusammenhalt der Partner. Mandschurenkraniche leben als Paare zeitlebens zusammen.
Am Nachmittag setzt Schneefall ein, und die Tänzer rüsten zum Aufbruch. In kleinen Gruppen fliegen die ersten Kraniche rufend ab. Andere folgen, und kurze Zeit später liegt die Tanzfläche wieder leer und verlassen. Nicht weit entfernt, im flachen Wasser eines von warmen Quellen gespeisten Flusses, versammeln sich die „Tanchos“ zur Nacht. Sicher vor Feinden und verhüllt von gespenstischen Nebelschwaden erwarten die Vögel des Glücks den neuen Tag.
Infos über den „Mandschurenkranich“
Mandschurenkraniche (Grus japonensis) werden 1,5 Meter hoch und erreichen eine Flügelspannweite von bis zu 2,5 Metern. Sie leben in Feuchtgebieten und Sümpfen. Die im Nordosten Chinas, im russischen Amurbecken und in Korea brütenden Vögel ziehen im Winter nach Süden. Japans Kraniche dagegen verbleiben ganzjährig in ihren Brutgebieten.
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