DAS KONZERT DER NORDISCHEN SCHWÄNE
Video, Fotos und Reportage © H. Schulz
Alljährlich von Januar bis März findet in der Eider-Treene-Sorge-Niederung in Schleswig-Holstein ein ganz besonderes Naturspektakel statt. Grund genug, trotz der beißenden Kälte mit der Kamera unterwegs zu sein. Tausende Zwerg- und Singschwäne, die in Holland und England überwintert haben, rasten nun im Norden Deutschlands, um sich Energiereserven für den Weiterflug in die sibirischen Brutgebiete anzufressen.
Das Wetter ist um dieser Zeit in Schleswig-Holstein meist stürmisch und regnerisch, aber ein paar Tage lang hatte ich Glück und konnte selbst den abendlichen Einflug am Schlafplatz vor tiefrotem Himmel aufnehmen. Heike Jeromin, Biologin beim NABU, hat mich begleitet und mir alles Wissenswerte über die weißen Zugvögel erklärt.
VIDEO
Auf ihrem Zug nach Sibirien rasten tausende Zwerg- und Singschwäne in Schleswig-Holstein. Abends fliegen sie vor der untergehenden Sonne laut trompetend zu ihren Schlafplätzen im Naturschutzgebiet. © H. Schulz Naturfilm, www.tierfilm.schulz-wildlife.de
REPORTAGE
Das Konzert der nordischen Schwäne
In den überschwemmten Wiesen am Rand des Naturschutzgebiets „Alte Sorge-Schleife“ spiegelt sich das letzte Licht des Tages. Längst ist die Sonne hinter dem Horizont versunken. Es ist bitterkalt an diesem Februarabend. In die Glockenschläge, die vom Bergenhusener Kirchturm über die Niederung klingen, mischt sich ein melodisches Trompeten. Zügig nähert sich der vielstimmige Chor, schwillt an zum fulminanten Finale. Und dann zeigen sich die Schwäne – als Silhouetten gegen den tiefroten Himmel. Laut rufend streben die Vögel in großen Trupps ihren Schlafplätzen entgegen.
Seit Anfang der 90er Jahre besuchen im Februar und März Tausende Zwerg- und Singschwäne die Niederungen der Flüsse Eider, Treene und Sorge. Sie kommen aus ihren Überwinterungsgebieten in den Niederlanden, Südengland und Irland. In den Kögen längs der Sorge tanken sie Energie für den kräftezehrenden Weiterflug in ihre nordischen Brutgebiete. Heike Jeromin vom Michael Otto Institut des NABU in Bergenhusen weiß, warum: „Die Schwäne finden hier eine super Kombination von Lebensräumen vor: Saftiges Grünland liefert den Vögeln Nahrung, und die Gewässer im Naturschutzgebiet sind sichere Schlafplätze“.
Die Biologin ist jetzt oft in der Niederung unterwegs, um die gefiederten Gäste zu zählen. Ihr Auto verlässt sie dabei nur selten. Nicht aus Faulheit, sondern weil sie zu Fuß die scheuen Vögel stören würde. „Mehr als 4000 der stark gefährdeten Zwergschwäne und mehrere hundert Singschwäne waren es im Jahr 2008“, erinnert sich Heike, während sie routiniert mit dem Fernglas eine Gruppe der weißen Vögel scannt. Stolz ist sie vor allem auf die Zahl der Zwergschwäne: „Bis zu 20% des Weltbestandes rasten in unserer Region, Tendenz steigend“.
Wer die beiden Arten unterscheiden will, der muss auf die Feinheiten achten. „Die Singschwäne sind etwas größer, und die gelbe Färbung am Schnabel ist weiter ausgedehnt als bei den Zwergschwänen“, erklärt Heike und startet ihr Auto. Auf geht’s zum nächsten Punkt. Einfach ist das Zählen heute nicht. In den Trupps herrscht ständiges Kommen und Gehen, und die Luft ist erfüllt vom Rufen fliegender Gelbschnäbel. „Bisher haben wir etwa 800 Vögel, aber es werden jetzt täglich mehr“. Die Biologin hat viel zu tun in den nächsten Wochen – und sie freut sich darauf.
Infos zu „Zwerg- und Singschwan“
Der Zwergschwan (Cygnus bewickii) wird 130 cm groß und brütet in den Tundren im Norden Russlands. Er ist stark gefährdet, Weltbestand ca. 20.000 Vögel. Der Singschwan (Cygnus cygnus) erreicht 150 cm Größe. Er brütet von Skandinavien bis Sibirien, breitet sich aber derzeit aus und ist auch in Deutschland schon heimisch.
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